,

3 Fragen an…

Madreiter Thomas ist Planungsdirektor der Stadt Wien . Er ist Experte für Planungsprozesse und koordiniert seit 2010 #SmartCityWien. In „3 Fragen an“ erklärt er, welche aktuellen Herausforderungen die Stadtentwicklung prägen. Außerdem erzählt er im Interview, welchen Stellenwert Smart Cities einnehmen und warum „effiziente Raumnutzung“ das Zauberwort der Zukunft ist.

DI Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien © MA18/Christian Fürthner

Welche Herausforderungen kommen auf die Stadtentwicklung & -planung die nächsten Jahre hinzu?

Ganz voran steht die Klimakrise. Bekannterweise stellt der Klimawandel gerade für Städte aufgrund ihres Hitzeinseleffekts eine zentrale Herausforderung dar – und Wien ist hier leider keine Ausnahme. Im Gegenteil, in unserem geographischen Bereich erfahren wir aktuell sogar eine doppelt so starke Erwärmung wie im globalen Durchschnitt! Faktum ist auch, dass die Umweltauswirkungen die Menschen in der Stadt sehr unterschiedlich betreffen. Das bedeutet, dass wir uns neben den laufenden Anstrengungen zum Klimaschutz bestmöglich und sozial gerecht auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten müssen, einschließlich extremer Wetterereignisse, Hitzewellen und anderer ökologischer Veränderungen. Niemand in der Stadt darf hier zurückgelassen werden.

Zudem verzeichnet Wien seit der Jahrtausendwende ein stetiges Bevölkerungswachstum, das auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Dazu gehören eine positive Geburtenrate, Zuwanderung aus dem In- und Ausland sowie eine vergleichsweise sehr hohe Lebensqualität, die Menschen dazu veranlasst, in die Stadt zu ziehen. Seit Herbst 2023 sind wir wieder eine 2-Millionen-Metropole! Klarerweise führt dieses Bevölkerungswachstum zu einem erhöhten Bedarf an Wohnraum, Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen. Angesichts einer zunehmenden Diversität der Bevölkerung ist die Schaffung inklusiver Stadtviertel und die Förderung sozialer Integration eine zentrale Herausforderung.

Eng verbunden mit der Erreichung der Klimaziele stellt uns das Vorantreiben der Energiewende, der Mobilitätswende und der Ressourcenschonung vor höchste Herausforderungen. Allen drei gemeinsam ist, dass wir hier radikal und umfassend unsere bisherig tradierten konventionellen Systeme und -prozesse auch von der stadtplanerischen Seite her völlig neu denken müssen. Beispielsweise müssen wir Stadt ehestmöglich als Materialressource begreifen. Es gilt, mit endlichen Ressourcen unendlich lange auszukommen

Nicht zuletzt steht die Förderung des Wirtschaftsstandortes Wien hoch oben auf der Agenda. Hier geht es uns um eine ausgewogene Entwicklung, die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen und die Förderung von Innovationen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung von Stadtverdichtung?

Stadtverdichtung spielt zweifelsohne eine entscheidende Rolle in der Bewältigung des wachsenden urbanen Raumbedarfs. Angesichts begrenzter Verfügbarkeit von Bauland ist eine qualitative und effiziente Raumnutzung das Zauberwort, um den steigenden Bedarf an leistbarem Wohnraum und notwendiger technischer, sozialer wie grüner Infrastruktur zu decken oder auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Nur mit qualitativer urbaner Dichte können wir die für uns wichtigen Grünflächen erhalten und schützen. Parks, Gärten und andere Grünzonen tragen wesentlich zur Lebensqualität in der Stadt bei, sie bieten nahgelegene Erholungsmöglichkeiten für die Menschen in der Stadt und natürliche Lebensräume für Fauna und Flora. Zudem können durch die kompakte Nähe von Wohn-, Arbeits- und Freizeiteinrichtungen lebendige Stadtviertel entstehen, die soziale Interaktion und Gemeinschaftsleben fördern. Dies reduziert tendenziell das Verkehrsaufkommen und trägt zur Förderung klimafreundlicher Verkehrsarten wie Zufußgehen oder Radfahren bei, was wiederum die Gesundheit, Lebensqualität und Zufriedenheit der Menschen in Wien verbessert. Ein entscheidender Aspekt bei städtebaulichen Verdichtungen ist die Beteiligung der Bürger*innen an den Stadtplanungsprozessen. Die Einbeziehung der Menschen in Entscheidungen zur Stadtentwicklung fördert erwiesener Maßen ein besseres Verständnis für lokale Bedürfnisse und trägt zur besseren Akzeptanz bei.

Energiewende, Mobilität & Digitalisierung, das sind die Trendthemen der nächsten Jahre. Welchen Beitrag leisten Smart Cities hier konkret?

Ich kann nicht für alle Smart Cities sprechen und beziehe mich daher rein auf die Stadt Wien:

Die Smart Klima City Strategie Wien fungiert als verbindliche Dach- und Nachhaltigkeitsstrategie. Sie definiert langfristige Ziele für Klimaschutz, Klimaanpassung und Kreislaufwirtschaft über alle städtischen Einrichtungen und Unternehmen, um Wien auf eine klimafitte Zukunft vorzubereiten. Die Mission ist klar: Hohe Lebensqualität für alle Wiener*innen bei größtmöglicher Ressourcenschonung durch soziale und technische Innovationen.

Für die Energiewende in Wien bedeutet das konkret, dass der Wiener Endenergieverbrauch bis 2030 zur Hälfte und 2040 vollständig von erneuerbaren bzw. dekarbonisierten Quellen gedeckt wird und wir bis 2040 aus der fossilen Wärmeversorgung gänzlich aussteigen. Zwei große Brocken am Weg zur klimaneutralen Stadt sind in diesem Zusammenhang die Solarstromoffensive (Errichtung von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 800 Megawatt Peak bis 2030) und die Umstellung von Öl- und Gasheizungen auf erneuerbare Energie. Mit der Initiative „100 Projekte Raus aus Gas“ wollen wir an ganz konkreten Projekten zeigen, wie der Umstieg der über 500.000 dezentralen Gasthermen funktionieren kann.

Wien unterstreicht seinen sozialen Ansatz der Smart Klima City auch im Mobilitätssektor. Dies zeigt sich beispielsweise in unserer Arbeit an der Mobilitätsgarantie, also dem Ziel, dass in Wien jeder und jede ohne einen PKW zu besitzen Mobil sein kann. Neben dem kontinuierlichen Ausbau von Infrastruktur für aktive Mobilität und öffentlichen Verkehr setzt die Stadt Wien zahlreiche strukturwirksame Maßnahmen zur Reduktion des Autoverkehrs, wie etwa die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf ganz Wien im Jahr 2022, oder auch den kontinuierlichen Ausbau von Sharingangeboten. Die Reduktion des Autoverkehrs ist die wesentliche Voraussetzung, um Flächen im Sinne der Klimaanpassung zu lebendigeren, nutzungsgemischteren Stadtteilen umzugestalten und eine Neuverteilung des öffentlichen Straßenraums zugunsten von aktiver Mobilität, Öffis und attraktiven Verweilmöglichkeiten zu erzielen.

Der Wiener Ansatz der Digitalisierung stellt ebenso klar die Wiener*innen in den Fokus. Wie kann uns Digitalisierung und technischer Fortschritt als Stadt helfen, das Leben aller Menschen in Wien zu erleichtern und noch lebenswerter zu machen? Im Sinnes des digitalen Humanismus soll die Chancengerechtigkeit und barrierefreie Teilhabe aller gesichert sein und Innovationen klar die Transparenz und Qualität unserer Prozesse erhöhen. Wir streben danach, z.B. das hochgesteckte Ziel „Wien ist Vorreiter für digitale Partizipation“ mit unserer digitalen Beteiligungsplattform (mitgestalten.wien.gv.at) und vermehrt digitalen Beteiligungsprozessen zu erreichen.

Abschließend lässt sich ganz allgemein für alle Smart Cities folgendes sagen:

Das klare Bekenntnis einer Smart City, diese (und auch weitere) Elemente ambitioniert anzugehen und zu kombinieren, trägt dazu bei, dass Städte nachhaltiger, effizienter und lebenswerter werden. Smart Cities tragen somit wesentlich dazu bei, die Herausforderungen der Energie- und Verkehrswende und fortschreitenden Digitalisierung anzugehen und Antworten auf die Klimakrise zu finden.