In Europa werden 40 % der Endenergie in Gebäuden verbraucht – dementsprechend groß ist das Potenzial für eine klimafreundliche Energiezukunft. Daher beforscht die ASCR in der Domäne „Smart Building“ Gebäude als Produzenten erneuerbarer Energie, identifiziert Einsparpotenziale bei gleichzeitig hohem Komfort für BewohnerInnen sowie geringst möglichen Errichtungs- und Instandhaltungskosten über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes hinweg.
Als konkrete Forschungsumgebungen dienen fünf Gebäude in der aspern Seestadt mit jeweils unterschiedlicher Nutzung: ein Wohngebäude, ein Studentenwohnheim, ein Bildungscampus, ein Technologiezentrum als moderne Arbeitsplatzumgebung und ein weiteres Bürogebäude mit Sportanlagen und Garagenplätzen. Im Laufe der aktuellen Forschungsphase wird es dort um Fragen des Smart Charging für E-Autos gehen.
Gebäude und Ausstattung wurden von der ASCR bewusst so gewählt, dass unterschiedlichste Anforderungen kosteneffizient beobachtet und möglichst viele Fragestellungen beantwortet werden können. Verbaut wurde modernste Technik: Photovoltaik, Solarthermie, Hybridanlagen, Wärmepumpen sowie thermische und elektrische Speicher.
Smarte Gebäude im Austausch miteinander
Von der Photovoltaikanlage über die Wärmepumpe hin zu den individuellen Haushalten und Speichermedien– die Gebäude der Zukunft sind mit verschiedenster Sensorik ausgestattet, deren Verknüpfung und zentrale Nutzung die ASCR mit dem Ziel eines optimierten Eigenverbrauchs erforscht. Herzstück dabei ist das intelligente Building Energy Management System (BEMS). Es verknüpft die gemessenen Daten und reagiert automatisch auf Veränderungen. In weiterer Folge lernt es nun, auch mit den Sensoren und Aktoren anderer Gebäude zu „sprechen“.
Unter Berücksichtigung von Informationen wie Nutzungsgewohnheiten, Sensordaten und der Wetterprognose kann das BEMS den voraussichtlichen Energiebedarf sowie die zu erwartende eigene Energieproduktion vorherberechnen. So ermöglicht es Smart Buildings Energie nicht nur den Energieverbrauch intelligent zu verbrauchen, sondern auch zu produzieren, bei Bedarf für später zu speichern oder ins Netz einzuspeisen.
D5B Studierendenheim
- Elektrischer Speicher (150 kWh verfügbar)
- Zentraler Warmwasserspeicher & E-Patronen (2 x 8 kW, stetig regelbar)
- Smarte MSR
- Photovoltaik (PV Peak: 221 kW)
D12 Wohngebäude
- Hochtemperatur-Wasserspeicher (6 x 2000 l)
- Thermischer Erdspeicher (ca. 6.000 m³ oder 40.000 kWh)
- Elektrischer Speicher (2 kWh)
- Home Automation (111 Haushalte)
- Smarte MSR
- Solarthermie (90 kW)
- Photovoltaik (PV Peak: 15 kW)
- Hybrid (Peak: 20 kW elektrisch + 60 kW thermisch)
- Verschiedene Wärmepumpen (ca. 700 kW thermisch)
D18A Bildungscampus
- Zentraler Warmwasserspeicher & E-Patronen (70 kW, stufig regelbar)
- Smarte MSR
- Solarthermie (90 kW)
- Photovoltaik (PV Peak: 58 kW)
- 2 Wärmepumpen (510 kW thermisch)
J14C SeeHUB List Garage
- Kombi-Wärmepumpe-Kältemaschine (370kW thermisch, Grundwasser)
- Trinkwassererwärmung (zentrale HT-Schiene, Büros mit dezentraler elektrischer TWE)
- Raumheizung (NT-Schiene mit Konvektoren)
- Raumkühlung (Kälte-Schiene mit Kaltwasser Fan-Coils)
- Zentrale Lüftungsanlage
- Photovoltaik (PV Peak: 15kW)
- E-Mobilität (mit mehreren E-Ladepunkten)
- BAT-System (stationär 100kWh, >100kW)
- Photovoltaik (PV Peak: 15kW)
- Zuteilung (dynamische Netze-Leistungs-Zuteilung nach Verfügbarkeit)
C4 Technologiezentrum
Seestadt Bauteil 2 & 3
- Kombi-Wärmepumpe-Kältemaschine (250kW thermisch, Gebäude-Fortluft und Grundwasser)
- Raumheizung (nur NT-Schiene mit Betonkern-Deckenaktivierung)
- Trinkwassererwärmung (dezentral und elektrisch, auch Duschen mit elektrischen Durchlauferhitzern)
- Raumkühlung (Kälte-Schiene über Betondecke)
- Zentrale Lüftungsanlage (Vollklimatisierung inklusive Entfeuchtung)
- Photovoltaik (PV Peak 60kW)
- Photovoltaik (PV Peak 2x40kW, Gemeinschaftsanlage für gewerbliche Mieter mit dynamischer Zuteilung der PV-Erzeugung)
Gemeinschaftliche Stromproduktion in Energy Districts
Eine neue Herausforderung ist es, die automatisierte, optimal gesteuerte Nutzung, Speicherung und Weiterleitung der Energie nicht allein in einzelnen Gebäuden, sondern darüber hinaus zu ermöglichen. In „Energy Districts“ stehen Gebäude untereinander im Austausch und versorgen sich gegenseitig.
Um dieses enorme Potenzial für die Versorgungssicherheit der Stadtbewohner optimal zu nutzen, müssen die Gebäude in ein Gesamtkonzept von Markt und Netz integriert werden. Denn damit sie überhaupt an Regelenergiemärkten teilnehmen können, braucht es Systeme, welche diese kleineren Flexibilitäten in einem sogenannten virtuellen Kraftwerk sammelt und koordiniert. Dies geschieht über das DEM-System. Es ermöglicht den konstanten Austausch untereinander sowie dem Markt und dem Übertragungsnetzbetreiber. Im Bedarfsfall (also einer Abweichung der Netzspannung – oder frequenz) kann dieser, in unserem Fall die APG Regelenergie abrufen. Dieser Befehl löst dann in unseren Gebäuden automatische Änderungen im aktuellen Betrieb der Anlagen aus. Sie handeln ihre Flexibilitäten am Regelenergiemarkt.
Voller Überblick dank digitalem Zwilling
Ein weiterer ASCR-Forschungsgegenstand ist der Einsatz digitaler Gebäudezwillinge während der Planungs- und Errichtungsphase sowie im laufenden Betrieb. Das sogenannte Building Information Modeling (BIM) birgt großes Potenzial in Punkto Effizienz, neuartiges Bauen und Facility Management. Laufend kann Auskunft über den Zustand bestimmter Gebäudeeinheiten gegeben werden, zudem werden vorrausschauende und kosteneffiziente Planung und Wartung möglich.
Smarte Gebäude
Smart Building
Schon heute stehen die smarten Gebäude in aspern Seestadt im Austausch mit den Regelenergiemärkten. Dank zahlreicher Erfahrungswerte, Sensoren und dem Zugriff auf Wetterdaten wissen sie vorab, wie viel Stromüberschuss produziert, eingespeichert oder gewinnbringend an der Strombörse weiterverkauft werden kann.
Im Studierendenwohnheim wurde diese Bereitstellung Regelleistung erfolgreich erprobt. Mittels virtueller Kraftwerke, dem Verbund mehrerer Photovoltaik-Anlagen und Batterien, kann somit künftig ein erheblicher Beitrag zur Energiewende und im speziellen zur Energieversorgung der Stadt geleistet werden. Die Hochrechnung aktueller Zwischenergebnisse ergibt: Wenn 20 Prozent der Wiener Gebäude mit der getesteten Technologie ausgestattet werden, lässt sich ein Gewinn von 30 Millionen Euro pro Jahr für die Stadt und ihre BewohnerInnen erwirtschaften.
Im Rahmen der Effizienzsteigerung konnte die ASCR einige positive Ergebnisse erzielen. Durch sein innovatives Energiesystem aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen, verschiedenen Speichertechnologien betrieben durch eine intelligente Steuerung spart der smarte Wohnbau im Vergleich zu einer Gaskessel-Heizanlage mehr als 71 % oder knapp 240 t CO2-Emissionen pro Jahr ein. Ein reiner Ökostromtarif erhöht das Einsparungspotenzial nochmals.
Die Solarthermieanlagen liefern durch die Nutzung eines Erdspeichers signifikant höhere Erträge als Anlagen, die nur mit Warmwasserspeichern ausgestattet sind. Durch Überladen der thermischen Speicher kann der nächtliche Wärmebedarf im Wohnbau vor allem in den Übergangszeiten zudem ausreichend gedeckt werden. Hier ergeben sich geringere Betriebsstunden der Wärmepumpen und somit Energie- und Kostenersparnis.
Die Wärmerückgewinnung im Bildungscampus spart 195 MWh/Jahr, das entspricht einer finanziellen Einsparung von ca. 10.000 Euro pro Jahr. Die Luft-Wärmepumpe im Garagenabluftsystem im Wohnbau nutzt erfolgreich die Garagenabluft als zusätzliche Wärmequelle.
Im Wohnheim für Studierende ergibt sich eine Netzbezugsspitzenreduktion durch den Batteriespeicher und so eine Ersparnis von bis zu 5.000 Euro pro Jahr.