,

3 Fragen an…

Grundlagen für Wiener Wärmewende

Mit der „Raus aus Gas“-Strategie hat die Stadt Wien ein umfassendes Maßnahmenprogramm geschaffen, bis 2040 die Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle in der Wärmeversorgung zu überwinden. Thomas Kreitmayer, der als Programmkoordinator von „Raus aus Gas“ für die strategische Umsetzung verantwortlich ist, erzählt in „3 Fragen an“, wie Wien bis 2040 zur klimaneutralen Stadt werden will.

Könnten Sie uns die konkreten Schritte und Bausteine erklären, um dieses Ziel zu erreichen?

Wien hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 zur CO2-freien Klimamusterstadt zu werden. Da etwa 30 % der leitzielrelevanten Emissionen auf den Gebäudesektor zurückzuführen sind, ist es unerlässlich, diesen zu dekarbonisieren, sprich, die Wärmeversorgung auf emissionsfreie Technologien umzurüsten.

In Wien sind heute etwa 600.000 Haushalte von fossiler Energie abhängig. Der Großteil davon heizt mit Gasetagenheizungen auf Wohnungsebene. Mit dem Konzept Wiener Wärme und Kälte 2040 hat man sich bis 2022 angesehen, welche Grundlagen angepasst bzw. geschaffen werden müssen, um die Wärmewende in Wien umsetzen zu können.

Wesentlich sind 3 Grundpfeiler. Es braucht:

  1. Einen geeigneten bundes- und landesrechtlichen Rechtsrahmen,
  2. Investitionskostenzuschüsse und finanzielle Unterstützungen für Sanierungen und Heizungstausch und
  3. Hinreichend Fachkräfte, um die im Rahmen der Wärmewende erforderlichen Leistungen umzusetzen.

Mit dem Umsetzungsprogramm Raus aus Gas 1 wird aktuell an der Schaffung dieser Grundlagen gearbeitet. Mithilfe eines Wärmeplans wird aufgezeigt werden, wo in Wien welche Möglichkeiten bestehen, auf emissionsfreie Wärmeversorgungstechnologien zu wechseln. Die Trägerrakete der Wärmewende ist in Wien die Fernwärme. Wo Fernwärme aus heutiger Sicht nicht darstellbar ist, werden Nahwärmelösungen oder Versorgungen einzelner Gebäude auf Basis von Wärmepumpenlösungen forciert.

 Mittels „100 Projekte Raus aus Gas“ wird aufgezeigt, wie die Dekarbonisierung unterschiedlicher Gebäude in der Realität funktioniert.

Ab 2026 wird dann aufbauend auf den geschaffenen Grundlagen und mit den Erkenntnissen, die man aus den 100 Demonstrationsprojekten gewinnen konnte, der große Rollout über die Stadt angestrebt.

Welche großen Probleme ergeben sich in Wien beim Wechsel der Wärme- und Kälteversorgung? Wie geht die Stadt mit diesen Herausforderungen um?

Es gibt sowohl soziale als auch technisch-wirtschaftliche Herausforderungen. Eine der größten Herausforderungen wird es sein, die Bevölkerung Wiens von den Vorteilen des Umstiegs zu überzeugen. Dazu wird es, ein neue Förderprogramme für die Sanierung der Gebäude als auch den Wechsel der Heizungssysteme geben. Ziel ist es, Wohnen in Wien leistbar zu halten. Von der technischen Seite her betrachtet, stellt der weitere Ausbau der Fernwärme eine herausfordernde Koordinationsaufgabe dar. Der Platz ist speziell in den inneren Bezirken, aber nicht nur dort, sehr eng und es gibt bereits jetzt sehr viele Einbauten im Wiener Untergrund, die in Raumkonkurrenz zu Fernwärmeleitungen stehen.

Dort wo verstärkt Wärmepumpenlösungen zur Anwendung kommen sollen, muss vielfach das Stromnetz ertüchtigt werden, was auch wieder eine komplexe Einbautenkoordination nach sich zieht. Gleichzeitig birgt die Weiterentwicklung der Energieinfrastruktur aber auch wieder großes Potenzial für eine Neugestaltung des öffentlichen Raums.

Um die induzierten Investitionsbedarfe bewältigen zu können, arbeiten Finanzexpert*innen der Stadt Wien bereits jetzt sehr intensiv an der Schaffung von geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten und passen bestehende Förderungsangebote im Sinne der Zielerreichung weiter an.

Zuletzt soll noch erwähnt werden, dass auch die Unterstützung der Österreichischen Bundesregierung nötig sein wird. Es gibt einige Gesetzesmaterien (wie zum Beispiel das Mietrecht oder das Gaswirtschaftsgesetz), die angepasst werden müssen. Und nach der Kompetenzrechtlichen Aufteilung zwischen Bund und den Ländern muss hierbei der Bund tätig werden.

Gibt es bereits erste Pilotprojekte in Wien, die innovative Lösungen für klimafreundliche Wärme und Kälte erproben? Könnten Sie uns ihre bisherigen Ergebnisse oder Erfahrungen teilen?

Ja, die gibt es tatsächlich. Die Stadt Wien – Energieplanung (Magistratsabteilung 20), betreut die erwähnte Initiative „100 Projekte Raus aus Gas“. Diese dokumentiert, wie verschiedene Gebäude mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf emissionsfreie Wärmeversorgungssysteme umgerüstet wurden. Dabei werden nicht nur technische Aspekte beleuchtet, sondern auch finanzielle und soziale Beweggründe aufgezeigt, die ausschlaggebend für die Transformation waren.

Um die Bandbreite an bereits erfolgten Umsetzungen zu umreißen, sei angeführt, dass unter den 100 Projekten bspw. ein Gründerzeithaus im 2. Bezirk zu finden ist, das auf Passivhaus-Niveaus saniert wurde. Bei diesem wurde die ursprüngliche fossile Wärmeversorgung nachträglich auf eine Grundwasserwärmepumpe umgestellt.

Ein anderes Beispiel zeigt einen gründerzeitlichen Block im 17. Bezirk, bei dem mehrere Gebäude thermisch-energetisch ertüchtigt wurden und nunmehr mithilfe eines gemeinsamen Anergienetzes (kalte Fernwärme) unter Nutzung von Erdwärme und Solarenergie versorgt werden. Durch den Einbau von Niedrigtemperatur-Wärmeabgabesystemen ist es in den Wohnungen nun auch möglich, einer sommerlichen Überwärmung entgegenzuwirken.

Die Technologien, um Gebäude hocheffizient und umweltschonend zu beheizen, bestehen alle seit Langem. Nun gilt es, diese auch flächig zur Anwendung zu bringen und unseren Bestand nicht nur in die energietechnische Gegenwart zu holen, sondern die Stadt zukunftsfit zu machen.