Der Weg zum „Smart Grid“ ist mit großen Herausforderungen verbunden: Nicht nur steht ein technologischer Umbruch vom passiven Verteilnetz hin zum aktiv gemanagten Verteilnetz auf Niederspannungsebene bevor. Netze müssen auch lernen, mit Spannungsschwankungen durch die zunehmende, dezentrale Erzeugung erneuerbarer Energien, modernen Speichermöglichkeiten und nicht zuletzt völlig neuen Nutzungen wie der E-Mobilität umzugehen. Dies immer mit dem klaren Ziel größtmöglicher Effizienz, absoluter Versorgungssicherheit und nicht zuletzt der Hebung von Potenzialen für die Umwelt und die Reduktion des CO2-Verbrauchs vor dem Hintergrund des Klimawandels.
Intelligente Netze der Zukunft verbinden alle Akteure des Energiesystems über ein Kommunikationsnetzwerk und ermöglichen damit eine zeitnahe, bidirektionale sowie kosteneffiziente Kommunikation zwischen Netzkomponenten, Erzeugern, Speichern und VerbraucherInnen. Dazu beforscht die ASCR in der Seestadt 12 Netzstationen, 24 Transformatoren unterschiedlichen Typs sowie fünf Netzspeichersysteme. Auf Empfängerseite sind in den beforschten Gebäuden zudem 500 Smart Meter verbaut.
Der Smart Grid Migrationspfad
Das Smart Grid der Zukunft entsteht nicht von heute auf morgen. Vielmehr gilt es zu nützen, was vorhanden ist, dabei den Einsatz bestehender Kupferreserven zu optimieren und schrittweise smarte Sekundärtechnik, in der Regel Sensoren, zu verbauen und anzuwenden. In der ASCR schaut man sich daher zunächst im Kleinen an, welche Sensorik und welche Daten es in welcher Auflösung tatsächlich braucht. Erst dann wird Sensorik verbaut und getestet und einem letzten Schritt wird die Effizienz durch Automatisierung und aktive Steuerung gesteigert. Ein zentrales Bemühen dabei ist es, Investitions- und Betriebskosten für einen breiten Roll-out so niedrig wie möglich zu halten und gleichzeitig größtmögliche Funktionstauglichkeit und Sicherheit zu erreichen.
Einbau von Sensorik
Phase 1: Das bestehende Netz lernt zu sehen. Durch den Einbau von Sensoren wird – erstmalig im Niederspannungsnetz – die Überwachung des Netzzustandes möglich. Vor dem Hintergrund der Kosteneffizienz stellt sich in Folge die Frage nach der notwendigen Anzahl an Sensorik. So soll bei Wahrung der Wirtschaftlichkeit ein für den optimalen Netzbetrieb hinreichendes Abbild des Netzzustandes erzeugt werden.
Softwarelösungen erschließen volles Netz-Potenzial
Phase 2: Das Netz lernt zu denken. Nach dem Ausbau der Sensorik ermöglicht der Einsatz von Software die Erfassung und Überwachung bisher verborgener Faktoren wie der Netzauslastung. Die genauen Netzdaten ermöglichen die optimierte Nutzung der Infrastruktur näher an den physikalischen Grenzen und alarmieren frühzeitig bei drohenden Grenzüberschreitungen – alles ohne aktiven Netzeingriff. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender E-Mobilität und dezentraler Energieerzeugung von großer Bedeutung.
Optimales Zusammenspiel im Smart Grid
Phase 3: Das Netz trifft Entscheidungen im Austausch mit anderen Komponenten. Es erfolgt erstmalig ein aktiver Eingriff in die Netzinfrastruktur. Die zunehmende Automatisierung erlaubt die Umschaltung und Ansteuerung von Netzspeichern sowie die aktive Nutzung der Gebäude als Energiespeicher. Auch kann das Smart Grid Gebäude und Photovoltaik-Anlagen bei Überkapazitäten vom Netz abriegeln. Durch das optimale Zusammenspiel der einzelnen Domänen erhöht sich die Effizienz des gesamten Energiesystems.
Use Cases
Mehr verbaute Sensorik ermöglicht eine genauere Überwachung des Netzes, bedeutet aber neben höheren Bau- und Instandhaltungskosten auch höhere Datenmengen und entsprechende Verarbeitungskosten. Ergebnisse der ASCR-Forschung zeigen, dass die Datenerhebung im Abstand von 15 Minuten eine ausreichende Dichte an Daten hervorbringt. Etwaiger Mehraufwand schlägt sich nicht entsprechend in Form besserer, höherwertiger Ergebnisse nieder.
Durch die Ausstattung des Niederspannungsnetzes mit Sensorik und der damit einhergehenden Betriebsverbesserungen verkürzen sich die Netz-Ausfallzeiten erheblich. Da die über das Betriebsjahr gemittelten Ausfallzeiten als Qualitätskennzahl direkten Einfluss auf das Netzentgelt haben, ergeben sich positive Effekte auf das Unternehmensergebnis des Netzbetreibers.
Die verbaute Sensorik ermöglicht die Darstellung der unterschiedlichen Netzzustände als „Netz-Fingerprint“. Vergleichbar mit einem Fingerabdruck zeigt jeder Netzzustand bzw. jedes Netzverhalten ein anderes Muster und wird so leicht erkennbar. Zeitliche und örtliche Unterschiede sowie das Zusammenspiel zwischen dem Batteriespeichersystem und den Netzaktivitäten werden einfacher identifizierbar.
Überwachung kritischer Grenzwerte
Nicht nur widerkehrende Muster, auch kritische Grenzwerte können dank des vermehrten Einsatzes von Smart Metern und anderer Sensorik leichter identifiziert und gesondert behandeln werden. Durch den Vergleich unterschiedlicher Zeiträume untersucht die ASCR, ob im Stromnetz Grenzwertverletzungen vorkommen, um so den Netzbetrieb zu optimieren. Auf Basis der ASCR-Forschung werden stärkere Abweichungen nun sofort sichtbar.
Weitere bisherige Ergebnisse im Forschungsbereich Smart Grid
Gängige Batteriespeichersysteme sind für den Einsatz im Smart Grid noch nicht ausgereift. Hier sind die Hersteller gefordert!
Bei vielen Analysen bieten 15-Minuten-Effektiv-Mittelwerte einen ausreichenden Einblick in das Verteilnetz. Zusätzlich müssen jedoch Minima und Maxima abgespeichert werden.
Der ökonomisch stark positiv treibende Faktor bei der Implementierung eines Smart Grids ist die Vermeidung von Netzausfällen. Dies gilt bereits bei zirka einer Minute pro Jahr.
Das Wiener Netz hat sich als sehr robust herausgestellt, ein Flexibility Operator ist nur bei sehr hohen Gleichzeitigkeiten (Teilnahme am Energiemarkt) notwendig. Das bedeutet, dass unter aktuellen Bedingungen kein Flexibility Operator notwendig ist, allerdings in Zukunft, mit unzähligen Einspeisern und weiteren preisgesteuerten Anlagen eine zentrale Rolle spielen wird.
Erste Ergebnisse zeigen, dass in einzelnen Anschlusspunkten Grenzwertverletzungen in puncto Blindleistungen vorliegen. Diese verminderte Netzqualität führt allerdings zu keinen merkbaren Auswirkungen beim Kunden.
Es lassen sich bereits Verbrauchskurven für den Normalbetrieb und Ausnahmesituationen unterscheiden.
Charakteristische Fehlermuster bei den Smart Metern können aus den Datenströmen herausgelesen werden.