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3 Fragen an…

Madreiter Thomas ist Planungsdirektor der Stadt Wien . Er ist Experte für Planungsprozesse und koordiniert seit 2010 #SmartCityWien. In „3 Fragen an“ erklärt er, welche aktuellen Herausforderungen die Stadtentwicklung prägen. Außerdem erzählt er im Interview, welchen Stellenwert Smart Cities einnehmen und warum „effiziente Raumnutzung“ das Zauberwort der Zukunft ist.

DI Thomas Madreiter, Planungsdirektor der Stadt Wien © MA18/Christian Fürthner

Welche Herausforderungen kommen auf die Stadtentwicklung & -planung die nächsten Jahre hinzu?

Ganz voran steht die Klimakrise. Bekannterweise stellt der Klimawandel gerade für Städte aufgrund ihres Hitzeinseleffekts eine zentrale Herausforderung dar – und Wien ist hier leider keine Ausnahme. Im Gegenteil, in unserem geographischen Bereich erfahren wir aktuell sogar eine doppelt so starke Erwärmung wie im globalen Durchschnitt! Faktum ist auch, dass die Umweltauswirkungen die Menschen in der Stadt sehr unterschiedlich betreffen. Das bedeutet, dass wir uns neben den laufenden Anstrengungen zum Klimaschutz bestmöglich und sozial gerecht auf die negativen Auswirkungen des Klimawandels vorbereiten müssen, einschließlich extremer Wetterereignisse, Hitzewellen und anderer ökologischer Veränderungen. Niemand in der Stadt darf hier zurückgelassen werden.

Zudem verzeichnet Wien seit der Jahrtausendwende ein stetiges Bevölkerungswachstum, das auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Dazu gehören eine positive Geburtenrate, Zuwanderung aus dem In- und Ausland sowie eine vergleichsweise sehr hohe Lebensqualität, die Menschen dazu veranlasst, in die Stadt zu ziehen. Seit Herbst 2023 sind wir wieder eine 2-Millionen-Metropole! Klarerweise führt dieses Bevölkerungswachstum zu einem erhöhten Bedarf an Wohnraum, Infrastruktur und öffentlichen Dienstleistungen. Angesichts einer zunehmenden Diversität der Bevölkerung ist die Schaffung inklusiver Stadtviertel und die Förderung sozialer Integration eine zentrale Herausforderung.

Eng verbunden mit der Erreichung der Klimaziele stellt uns das Vorantreiben der Energiewende, der Mobilitätswende und der Ressourcenschonung vor höchste Herausforderungen. Allen drei gemeinsam ist, dass wir hier radikal und umfassend unsere bisherig tradierten konventionellen Systeme und -prozesse auch von der stadtplanerischen Seite her völlig neu denken müssen. Beispielsweise müssen wir Stadt ehestmöglich als Materialressource begreifen. Es gilt, mit endlichen Ressourcen unendlich lange auszukommen

Nicht zuletzt steht die Förderung des Wirtschaftsstandortes Wien hoch oben auf der Agenda. Hier geht es uns um eine ausgewogene Entwicklung, die Schaffung von attraktiven Arbeitsplätzen und die Förderung von Innovationen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung von Stadtverdichtung?

Stadtverdichtung spielt zweifelsohne eine entscheidende Rolle in der Bewältigung des wachsenden urbanen Raumbedarfs. Angesichts begrenzter Verfügbarkeit von Bauland ist eine qualitative und effiziente Raumnutzung das Zauberwort, um den steigenden Bedarf an leistbarem Wohnraum und notwendiger technischer, sozialer wie grüner Infrastruktur zu decken oder auch neue Arbeitsplätze zu schaffen. Nur mit qualitativer urbaner Dichte können wir die für uns wichtigen Grünflächen erhalten und schützen. Parks, Gärten und andere Grünzonen tragen wesentlich zur Lebensqualität in der Stadt bei, sie bieten nahgelegene Erholungsmöglichkeiten für die Menschen in der Stadt und natürliche Lebensräume für Fauna und Flora. Zudem können durch die kompakte Nähe von Wohn-, Arbeits- und Freizeiteinrichtungen lebendige Stadtviertel entstehen, die soziale Interaktion und Gemeinschaftsleben fördern. Dies reduziert tendenziell das Verkehrsaufkommen und trägt zur Förderung klimafreundlicher Verkehrsarten wie Zufußgehen oder Radfahren bei, was wiederum die Gesundheit, Lebensqualität und Zufriedenheit der Menschen in Wien verbessert. Ein entscheidender Aspekt bei städtebaulichen Verdichtungen ist die Beteiligung der Bürger*innen an den Stadtplanungsprozessen. Die Einbeziehung der Menschen in Entscheidungen zur Stadtentwicklung fördert erwiesener Maßen ein besseres Verständnis für lokale Bedürfnisse und trägt zur besseren Akzeptanz bei.

Energiewende, Mobilität & Digitalisierung, das sind die Trendthemen der nächsten Jahre. Welchen Beitrag leisten Smart Cities hier konkret?

Ich kann nicht für alle Smart Cities sprechen und beziehe mich daher rein auf die Stadt Wien:

Die Smart Klima City Strategie Wien fungiert als verbindliche Dach- und Nachhaltigkeitsstrategie. Sie definiert langfristige Ziele für Klimaschutz, Klimaanpassung und Kreislaufwirtschaft über alle städtischen Einrichtungen und Unternehmen, um Wien auf eine klimafitte Zukunft vorzubereiten. Die Mission ist klar: Hohe Lebensqualität für alle Wiener*innen bei größtmöglicher Ressourcenschonung durch soziale und technische Innovationen.

Für die Energiewende in Wien bedeutet das konkret, dass der Wiener Endenergieverbrauch bis 2030 zur Hälfte und 2040 vollständig von erneuerbaren bzw. dekarbonisierten Quellen gedeckt wird und wir bis 2040 aus der fossilen Wärmeversorgung gänzlich aussteigen. Zwei große Brocken am Weg zur klimaneutralen Stadt sind in diesem Zusammenhang die Solarstromoffensive (Errichtung von Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 800 Megawatt Peak bis 2030) und die Umstellung von Öl- und Gasheizungen auf erneuerbare Energie. Mit der Initiative „100 Projekte Raus aus Gas“ wollen wir an ganz konkreten Projekten zeigen, wie der Umstieg der über 500.000 dezentralen Gasthermen funktionieren kann.

Wien unterstreicht seinen sozialen Ansatz der Smart Klima City auch im Mobilitätssektor. Dies zeigt sich beispielsweise in unserer Arbeit an der Mobilitätsgarantie, also dem Ziel, dass in Wien jeder und jede ohne einen PKW zu besitzen Mobil sein kann. Neben dem kontinuierlichen Ausbau von Infrastruktur für aktive Mobilität und öffentlichen Verkehr setzt die Stadt Wien zahlreiche strukturwirksame Maßnahmen zur Reduktion des Autoverkehrs, wie etwa die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf ganz Wien im Jahr 2022, oder auch den kontinuierlichen Ausbau von Sharingangeboten. Die Reduktion des Autoverkehrs ist die wesentliche Voraussetzung, um Flächen im Sinne der Klimaanpassung zu lebendigeren, nutzungsgemischteren Stadtteilen umzugestalten und eine Neuverteilung des öffentlichen Straßenraums zugunsten von aktiver Mobilität, Öffis und attraktiven Verweilmöglichkeiten zu erzielen.

Der Wiener Ansatz der Digitalisierung stellt ebenso klar die Wiener*innen in den Fokus. Wie kann uns Digitalisierung und technischer Fortschritt als Stadt helfen, das Leben aller Menschen in Wien zu erleichtern und noch lebenswerter zu machen? Im Sinnes des digitalen Humanismus soll die Chancengerechtigkeit und barrierefreie Teilhabe aller gesichert sein und Innovationen klar die Transparenz und Qualität unserer Prozesse erhöhen. Wir streben danach, z.B. das hochgesteckte Ziel „Wien ist Vorreiter für digitale Partizipation“ mit unserer digitalen Beteiligungsplattform (mitgestalten.wien.gv.at) und vermehrt digitalen Beteiligungsprozessen zu erreichen.

Abschließend lässt sich ganz allgemein für alle Smart Cities folgendes sagen:

Das klare Bekenntnis einer Smart City, diese (und auch weitere) Elemente ambitioniert anzugehen und zu kombinieren, trägt dazu bei, dass Städte nachhaltiger, effizienter und lebenswerter werden. Smart Cities tragen somit wesentlich dazu bei, die Herausforderungen der Energie- und Verkehrswende und fortschreitenden Digitalisierung anzugehen und Antworten auf die Klimakrise zu finden.

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3 Fragen an…

Manfred Rieger, Standortleiter und Geschäftsführer des Forschungs- und Entwicklungsbereiches von Takeda in Österreich, erklärt im ASCR-Format „3 Fragen an“, warum aspern Seestadt das ideale Ökosystem für Unternehmen darstellt, wie der Bau von Green Buildings durch japanische Gärten inspiriert sein kann und welches Konzept hinter dem „Labor der Zukunft“ steht.

Manfred Rieger, Standortleiter und Geschäftsführer des Forschungs- und Entwicklungsbereiches von Takeda in Österreich (c) Takeda Österreich

Warum hat Takeda seit mehr als 70 Jahren in Wien geforscht, und welche Gründe führten zur Auswahl der aspern Seestadt als zusätzlichen Standort?

Einer der Hauptgründe, warum wir in Wien auf 70 Jahre Forschungs- und Entwicklungsgeschichte mit Stolz zurückblicken können, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Talent. Wien hat traditionell ein sehr gutes Universitäts- und Hochschulsystem, das hervorragende Wissenschaftler*innen und Fachkräfte hervorgebracht hat. Eine gut ausgebaute Infrastruktur und eine hohe Lebensqualität waren und sind immer noch Anziehungspunkte für Talente aus anderen Bundesländern,  aber auch aus Zentral- und Osteuropa, die in der Stadt Wurzeln schlagen wollen.

Wir haben die aspern Seestadt powered by Wien 3420 AG als Standort für unser Labor der Zukunft gewählt, weil sie uns die besten Voraussetzungen bietet, diese Talente anzuziehen und zu fördern. Es gibt eine hervorragende Anbindung an den öffentlichen Verkehr und eine optimale Infrastruktur mit Bildungs- und Sporteinrichtungen, Geschäften und Grünflächen. Das Gebäude wird so geplant, dass es als Total Quality Building (TQB) nach den Qualitätskriterien der Seestadt Aspern zertifiziert werden kann – das umfasst auch Kriterien, wie gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel (was mit der U2-Station Seestadt gut erfüllt ist) und barrierefreie Zugänge. Elektroautos/-Räder können aufgeladen und rund 70 Räder überdacht abgestellt werden.

Darüber hinaus sehen wir wie der Bezirk sich zu einem Innovations- und Biotech-Hub in Wien entwickelt. Die Seestadt bietet das ideale Ökosystem für die Zusammenarbeit mit innovativen Unternehmen. Durch den Austausch von Know-how und Ressourcen strebt Takeda an, die Zusammenarbeit innerhalb der wissenschaftlichen Community zu fördern und auch dadurch den Fortschritt zum Wohle aller Patient*innen voranzutreiben.

Können Sie die Merkmale des geplanten Green Buildings erläutern, insbesondere im Hinblick auf den japanischen Garten?

Unsere Nachhaltigkeitsmerkmale machen dieses Projekt einzigartig. Wir verzichten auf die Verwendung von fossilen Energieträgern, da unser Gebäudekonzept eine Mischung aus Fern- und Erdwärme für die Klimatisierung vorsieht. Unseren Strombedarf decken wir durch Zukauf und Eigenerzeugung von Alternativenergien, wie Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft ab, weiters gibt es innovative Lösungen zur Energiereduktion, wie Abwärmerückgewinnung, Außenluftkühlung für Lüftungsanlagen, ein Gründach und indirekte Grundwassernutzung von eingeleiteten Regenabwasser, um unser Takeda Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen. Durch diese innovativen Betriebsformen unseres Gebäudes sparen wir bis zu 415 Tonnen CO2-Emissionen pro Jahr ein – das entspricht der Menge von 100 mit Erdgas beheizten Einfamilienhäusern.

In unserem Projekt erfüllen die Grünflächen eine Vielzahl an Funktionen. Die offenen Grüninsel und Terrassen werden wichtige Bereiche zum Nachdenken und Entspannen, zur Interaktion und zum Kontakt mit Kolleg*innen sein und erinnern an unsere japanischen Wurzeln. Bei der Gestaltung der Grünflächen ließen sich die Architekten und Landschaftsplaner von Takedas „Garden for Medicinal Plant Conservation“ in Kyoto (bzw. dem daraus abgeleiteten „Hirameki Garden of Inspiration“, einer virtuellen Darstellung der Takeda Unternehmensphilosophie) inspirieren. Diese Design-Entscheidung hat mit Ästhetik und der mehr als 240 Jahre langen Geschichte von Takeda zu tun, aber die Grünflächen sind auch ein Teil unserer Energiekonzepts. So z.B. wird unser Gründach auch zur Kühlung des Gebäudes und zur Filterung von Regenwasser beitragen.

Von besonderer Bedeutung ist auch die Gestaltung der außenliegenden Bewegungsflächen. Die Terrassen im 3. und 4. Obergeschoß sind durch einen überdachten, umlaufenden begrünten Korridor verbunden. So dass es den Kolleg*innen ermöglicht wird, sich leichter zwischen dem Innen- und Außenbereich zu bewegen und eine Abwechslung zur Arbeitsroutine zu erhalten.

Wie wird das ‚Labor der Zukunft‘ bei Takeda aussehen?

Das Labor der Zukunft ist ein Konzept, das die Gestaltung und Schaffung eines neuen Umfelds für schnellere, effizientere und kollaborative wissenschaftliche Arbeit ermöglicht. Unser zukünftiges Gebäude erfüllt die Anforderungen eines Labors der Zukunft, da es sehr Daten konzentriert, die Beschleunigung von Forschung & Entwicklung möglich macht, durch die immer effektivere Nutzung von Daten, Software- (einschließlich KI und maschinelles Lernen) und Automatisierungslösungen (einschließlich Robotik). Unser Projekt verfügt über ein flexibles und modulares Gebäudekonzept – ein so genanntes “ Ballroom“-Konzept – d.h. die Raumaufteilung in den Laborbereichen ist flexibel und kann einfach modular geändert werden, um diese hochkomplexen Räume unseren wechselnden Bedürfnisse anzupassen.

Das Gebäude wird eine Gesamtfläche von ungefähr 28.000 m2 aufweisen. Mehr als die Hälfte der Nutzfläche des Gebäudes dient unserer Kernkompetenz der Forschungs- und Entwicklungslabore, der Rest wird Büro-, Besprechungs- und Gemeinschaftsräumen, einer Cafeteria, inkl. einem modernen Konferenzbereich gewidmet, in dem wir uns mit der wissenschaftlichen Community und der Wiener Life-Science-Branche in Kontakt treten werden. Zudem wird es im Erdgeschoß ein Demo-Labor geben, das für Schulungszwecke von Schulen, Universitäten und Präsentationen von Firmen zur Verfügung steht.

In unserem neuen Gebäude werden wir unser langjähriges Know-how und unsere Erfahrung noch besser nützen können, um Arzneimittelinnovationen, von der Auswahl eines Produktkandidaten über alle präklinischen und klinischen Phasen bis zur Zulassung, zu entwickeln. All dies dank innovativer Technologien und effizienterer Zusammenarbeit schneller, besser, nachhaltiger und vorhersehbarer zu tun, ist für unsere Patient*innen von enormem Wert.

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3 Fragen an…

Grundlagen für Wiener Wärmewende

Mit der „Raus aus Gas“-Strategie hat die Stadt Wien ein umfassendes Maßnahmenprogramm geschaffen, bis 2040 die Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle in der Wärmeversorgung zu überwinden. Thomas Kreitmayer, der als Programmkoordinator von „Raus aus Gas“ für die strategische Umsetzung verantwortlich ist, erzählt in „3 Fragen an“, wie Wien bis 2040 zur klimaneutralen Stadt werden will.

Könnten Sie uns die konkreten Schritte und Bausteine erklären, um dieses Ziel zu erreichen?

Wien hat sich das Ziel gesetzt, bis 2040 zur CO2-freien Klimamusterstadt zu werden. Da etwa 30 % der leitzielrelevanten Emissionen auf den Gebäudesektor zurückzuführen sind, ist es unerlässlich, diesen zu dekarbonisieren, sprich, die Wärmeversorgung auf emissionsfreie Technologien umzurüsten.

In Wien sind heute etwa 600.000 Haushalte von fossiler Energie abhängig. Der Großteil davon heizt mit Gasetagenheizungen auf Wohnungsebene. Mit dem Konzept Wiener Wärme und Kälte 2040 hat man sich bis 2022 angesehen, welche Grundlagen angepasst bzw. geschaffen werden müssen, um die Wärmewende in Wien umsetzen zu können.

Wesentlich sind 3 Grundpfeiler. Es braucht:

  1. Einen geeigneten bundes- und landesrechtlichen Rechtsrahmen,
  2. Investitionskostenzuschüsse und finanzielle Unterstützungen für Sanierungen und Heizungstausch und
  3. Hinreichend Fachkräfte, um die im Rahmen der Wärmewende erforderlichen Leistungen umzusetzen.

Mit dem Umsetzungsprogramm Raus aus Gas 1 wird aktuell an der Schaffung dieser Grundlagen gearbeitet. Mithilfe eines Wärmeplans wird aufgezeigt werden, wo in Wien welche Möglichkeiten bestehen, auf emissionsfreie Wärmeversorgungstechnologien zu wechseln. Die Trägerrakete der Wärmewende ist in Wien die Fernwärme. Wo Fernwärme aus heutiger Sicht nicht darstellbar ist, werden Nahwärmelösungen oder Versorgungen einzelner Gebäude auf Basis von Wärmepumpenlösungen forciert.

 Mittels „100 Projekte Raus aus Gas“ wird aufgezeigt, wie die Dekarbonisierung unterschiedlicher Gebäude in der Realität funktioniert.

Ab 2026 wird dann aufbauend auf den geschaffenen Grundlagen und mit den Erkenntnissen, die man aus den 100 Demonstrationsprojekten gewinnen konnte, der große Rollout über die Stadt angestrebt.

Welche großen Probleme ergeben sich in Wien beim Wechsel der Wärme- und Kälteversorgung? Wie geht die Stadt mit diesen Herausforderungen um?

Es gibt sowohl soziale als auch technisch-wirtschaftliche Herausforderungen. Eine der größten Herausforderungen wird es sein, die Bevölkerung Wiens von den Vorteilen des Umstiegs zu überzeugen. Dazu wird es, ein neue Förderprogramme für die Sanierung der Gebäude als auch den Wechsel der Heizungssysteme geben. Ziel ist es, Wohnen in Wien leistbar zu halten. Von der technischen Seite her betrachtet, stellt der weitere Ausbau der Fernwärme eine herausfordernde Koordinationsaufgabe dar. Der Platz ist speziell in den inneren Bezirken, aber nicht nur dort, sehr eng und es gibt bereits jetzt sehr viele Einbauten im Wiener Untergrund, die in Raumkonkurrenz zu Fernwärmeleitungen stehen.

Dort wo verstärkt Wärmepumpenlösungen zur Anwendung kommen sollen, muss vielfach das Stromnetz ertüchtigt werden, was auch wieder eine komplexe Einbautenkoordination nach sich zieht. Gleichzeitig birgt die Weiterentwicklung der Energieinfrastruktur aber auch wieder großes Potenzial für eine Neugestaltung des öffentlichen Raums.

Um die induzierten Investitionsbedarfe bewältigen zu können, arbeiten Finanzexpert*innen der Stadt Wien bereits jetzt sehr intensiv an der Schaffung von geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten und passen bestehende Förderungsangebote im Sinne der Zielerreichung weiter an.

Zuletzt soll noch erwähnt werden, dass auch die Unterstützung der Österreichischen Bundesregierung nötig sein wird. Es gibt einige Gesetzesmaterien (wie zum Beispiel das Mietrecht oder das Gaswirtschaftsgesetz), die angepasst werden müssen. Und nach der Kompetenzrechtlichen Aufteilung zwischen Bund und den Ländern muss hierbei der Bund tätig werden.

Gibt es bereits erste Pilotprojekte in Wien, die innovative Lösungen für klimafreundliche Wärme und Kälte erproben? Könnten Sie uns ihre bisherigen Ergebnisse oder Erfahrungen teilen?

Ja, die gibt es tatsächlich. Die Stadt Wien – Energieplanung (Magistratsabteilung 20), betreut die erwähnte Initiative „100 Projekte Raus aus Gas“. Diese dokumentiert, wie verschiedene Gebäude mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen auf emissionsfreie Wärmeversorgungssysteme umgerüstet wurden. Dabei werden nicht nur technische Aspekte beleuchtet, sondern auch finanzielle und soziale Beweggründe aufgezeigt, die ausschlaggebend für die Transformation waren.

Um die Bandbreite an bereits erfolgten Umsetzungen zu umreißen, sei angeführt, dass unter den 100 Projekten bspw. ein Gründerzeithaus im 2. Bezirk zu finden ist, das auf Passivhaus-Niveaus saniert wurde. Bei diesem wurde die ursprüngliche fossile Wärmeversorgung nachträglich auf eine Grundwasserwärmepumpe umgestellt.

Ein anderes Beispiel zeigt einen gründerzeitlichen Block im 17. Bezirk, bei dem mehrere Gebäude thermisch-energetisch ertüchtigt wurden und nunmehr mithilfe eines gemeinsamen Anergienetzes (kalte Fernwärme) unter Nutzung von Erdwärme und Solarenergie versorgt werden. Durch den Einbau von Niedrigtemperatur-Wärmeabgabesystemen ist es in den Wohnungen nun auch möglich, einer sommerlichen Überwärmung entgegenzuwirken.

Die Technologien, um Gebäude hocheffizient und umweltschonend zu beheizen, bestehen alle seit Langem. Nun gilt es, diese auch flächig zur Anwendung zu bringen und unseren Bestand nicht nur in die energietechnische Gegenwart zu holen, sondern die Stadt zukunftsfit zu machen.

 

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3 Fragen an…

In unserer Reihe „3 Fragen an“ haben wir im Zuge des Smart City Forums „Raus aus Gas“ Herrn Erik Sewe von den Hamburger Energiewerken 3 Fragen dazu gestellt, wie Hamburg bis 2045 mit der Elbe seinen Weg zur Klimaneutralität gestaltet.

Im Zeitalter, in dem Klimawandel und Energieeffizienz an oberster Stelle stehen, hat Hamburg die Einzigartigkeit seiner Wasserlandschaft erkannt. So soll die transformative Kraft der Elbe im zukünftigen Energiepark Tiefstack genutzt werden. Erik Sewe gestaltet in der Systemplanung und Innovation die Wärmewende der Hamburger Energiewerke GmbH mit. In „3 Fragen an“ erfahren Sie, wie Hamburg bis 2045 seinen Weg zur Klimaneutralität gestaltet und von der Elbe als regenerativer Energiequelle profitiert.

Was sind die Hauptunterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der Hamburger und der Wiener Energieversorgung, insbesondere in Bezug auf Energiequellen?

Die Netze beider Städte versorgen viele Bürger*innen sowie Unternehmen mit Wärme. Sowohl in Wien als auch in Hamburg tragen Dekarbonisierung und Wachstum der Wärmenetze einen entscheidenden Teil dazu bei, um die jeweiligen Klimaziele zu erreichen. Bis 2045 setzen wir schrittweise die Klimaneutralität um, vergrößern das Netz und weiten das Erzeugerportfolio aus. Das erreichen wir unter anderem durch den Bau von Wärmepumpen. Diese werden Wärme aus der Elbe, aus industriellen Prozessen oder aus Abwasser entnehmen und für die Fernwärme nutzbar machen. Die thermische Abfallbehandlung wird in der klimaneutralen Versorgung einen signifikanten Anteil beitragen. Aktuell treiben wir der Kohleausstieg in Hamburg mit viel Energie voran.

Inwiefern spielt die Elbe eine wichtige Rolle bei der Hamburger Energiewende, und könnte ein ähnlicher Ansatz mit der Donau auch in Wien umgesetzt werden?

 An der Elbe haben wir logistisch sehr gut angebundene Kraftwerksstandorte. Darüber hinaus wird das Elbwasser eine wichtige Wärmequelle für unsere Großwärmepumpen sein, mit der wir einen großen Teil der Mittellast der Fernwärme decken werden. Laut meiner Kenntnis kann in Wien schon neben dem Kühlwasser des Kraftwerks Simmering auch die Umgebungswärme des Donaukanals als Wärmequelle dienen.

Welche Technologien werden in Hamburg aktiv gefördert, um die Energiewende zu unterstützen und den geplanten Kohle-Ausstieg zu erreichen?

Das breite Angebot steht einem starken Wandel gegenüber. Aus den vielen Fördermöglichkeiten möchte ich eine herausgreifen: Für die Transformation der Wärmenetze gibt es seit Ende 2022 das Programm Bundesförderung für effiziente Wärmenetze. Dieses unterstützt eine Vielzahl von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien. Die Module reichen von der Erstellung von Machbarkeitsstudien und Transformationsplänen über die Förderung der darin erarbeiteten Maßnahmenpaketen bis hin zur Betriebskostenförderung für neu errichtete Wärmepumpen. Der Bund fördert dabei sowohl Erzeugungsanlagen als auch Netzmaßnahmen und Planungsleistungen.

 

 

 

 

 

 

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3 Fragen an…

In unserer Reihe „3 Fragen an“ haben wir diesmal Eva Dvorak, Leitung der Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften in Österreich im Klima- und Energiefonds, Fragen zu Energiegemeinschaften gestellt.

Welche Rolle spielen EGs in der zukünftigen Energielandschaft?

Für eine zentrale Rolle von Energiegemeinschaften in unserer Energielandschaft spricht natürlich viel – herausheben möchte ich hier drei ganz wesentliche Punkte:

Erstens: Energiegemeinschaften sind gut für‘s Klima. Österreich möchte bis 2040 klimaneutral werden und schon 2030 soll der Strom bilanziell zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Energiegemeinschaften bieten Privatpersonen, Gemeinden und Unternehmen die Möglichkeit, diese Energiewende aktiv mitzugestalten und  das Klima zu schützen.

Zweitens: Energiegemeinschaften sind die ideale Lösung für jene, die ihre Energieversorgung selbst in die Hand nehmen wollen. Die gemeinschaftliche, dezentrale Produktion von Energie macht die Energieversorgung auch krisensicher. Energiegemeinschaften machen sich von Preisschwankungen auf dem Energiemarkt unabhängiger. Strom oder Wärme wird innerhalb der Energiegemeinschaft zu selbstbestimmten und stabilen Preisen geteilt. Das bringt mittel- bis langfristige Planungssicherheit.

Drittens: Nicht zuletzt erhöhen Energiegemeinschaften die regionale Wertschöpfung und schaffen Green Jobs. Durch die Errichtung der Anlagen vor Ort, aber auch durch den gemeinschaftlichen Energiehandel bleiben die Investitionen in der Region. Strom und Wärme werden durch Energiegemeinschaften zu wichtigen Gütern der Nahversorgung.

 

Vor welchen Herausforderungen stehen wir, um eine EG zu gründen?

Die rechtliche Grundlage für die Gründung von Energiegemeinschaften in Österreich wurde im Sommer 2021 durch das EAG beschlossen. Plant man die Gründung einer EG, dann lohnt sich zunächst auch Blick auf www.energiegemeinschaften.gv.at – dort stehen Erklärvideos, Broschüren, Ratgeber und Verträge sowie eine Sammlung detaillierter Fragen zum Thema Energiegemeinschaften (FAQs) zur Verfügung. Und auch die Beratungsstellen in den Bundesländern stehen allen, die eine Energiegemeinschaft gründen wollen, beratend zur Seite.

Bis Anfang 2023 wurden knapp 300 Energiegemeinschaften (EG) in Österreich gegründet – Tendenz stark steigend. Das Modell funktioniert, das Interesse an Energiegemeinschaften ist extrem groß.

Die Landkarte zeigt eingetragene Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften (EEG) und Bürgerenergiegemeinschaften (BEG).

 

Wie werden sich EGs zukünftig entwickeln?

Wir sind in Österreich, was die Gründung von Energiegemeinschaften anbelangt, sehr weit vorne. In den letzten 2 Jahren wurden rund 300 Energiegemeinschaften gegründet. Im nächsten Schritt werden Bürgerenergiegemeinschaften (BEG) vorangetrieben. Diese dürfen im Gegensatz zu EEGs nur Strom erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen – Wärme ist hier ausgeschlossen. Aber eine BEG kann sich über die Konzessionsgebiete mehrerer Netzbetreiber in ganz Österreich erstrecken – was natürlich enorm attraktiv ist. Ab dem Herbst 2023 werden BEGs in vollem Umfang möglich sein. Und mit Anfang 2024 ist auch eine Mehrfachteilnahme möglich, d. h. Verbraucher*innen und Erzeuger*innen können an mehreren Energiegemeinschaften und gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen teilhaben. Sie sehen – Energiegemeinschaften sind ein sehr dynamischer und spannender Markt. Ich kann nur jeden und jede aufrufen, sich zu informieren und wenn möglich eine Energiegemeinschaft zu gründen.

 

 

 

 

 

 

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Matthias Gressel übernimmt Co-Geschäftsführung der ASCR

Matthias Gressel (40) verstärkt seit Februar 2023 die Geschäftsführung der Aspern Smart City Research GmbH (ASCR), Europas größtem und innovativstem Energieforschungsprojekt von Siemens, Wien Energie, Wiener Netze, Wien 3420 und Wirtschaftsagentur. Matthias Gressel übernimmt die Position neben Georg Pammer von Robert Grüneis, der in den Vorstand der Wien 3420 gewechselt ist.

Der Wiener Jurist war zuletzt im Büro der Geschäftsführung der Wiener Netze, Österreichs größtem Kombinationsnetzbetreiber, tätig. In seiner Funktion als neuer Geschäftsführer der ASCR bringt Gressel seine Expertise in den Bereichen Energiewende und Raus aus Gas sowie Smart Grid und Digitalisierung ein. „Die Zukunft gehört den erneuerbaren Energien und der nachhaltigen Stadtentwicklung. Smart Cities spielen eine immer wichtigere Rolle in einem ganzheitlich zu betrachtenden Energiesystem. Wir müssen uns als Gesellschaft stärker auf die Entwicklung und Nutzung von intelligenten Lösungen konzentrieren, um eine energieeffiziente und klimafreundliche Zukunft zu gewährleisten“, so Gressel.
Georg Pammer, Geschäftsführer der ASCR, zeigt sich ebenso erfreut über die Verstärkung: „Mit Matthias Gressel haben wir einen ausgewiesenen Experten für Energiethemen im Team. Als langjähriger Mitarbeiter der Wiener Netze haben wir den richtigen an unserer Seite, wenn es darum geht die Forschungsarbeit der ASCR weiter voranzutreiben.“

 

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3 Fragen an…

In unserer Reihe „3 Fragen an“ haben wir diesmal Doris Österreicher, Partnerin/Architektin bei Treberspurg & Partner und Dozentin an der BOKU Wien, Fragen zu Gebäuden und Energie gestellt.

Was sind Energieflexible Gebäude und warum braucht es diese?

Für eine nachhaltige Energiewende ist es unabdingbar fossile Energieträger mit erneuerbarer Energie zu ersetzen. Nachdem Sonne, Wind- und Wasserkraft wetterabhängig und sind, müssen diese Energiesysteme immer auch zusammen mit Speichern angedacht werden. Gebäude können hier einen wertvollen Beitrag liefern, da sie durch die Einbindung von elektrischen Batterien, aber vor allem durch ihre thermische Masse eine effiziente Speicherung ermöglichen. Energieflexible Gebäude verfügen über die notwendige System- und Regelungstechnik, um Energie zu bestimmten Zeiten aufzunehmen, zu speichern und auch wieder abzugeben. So können Gebäude z.B. mit einer wettergestützten Regelung vorgeheizt werden, wenn gerade ein Überschuss an erneuerbarer Energie vorhanden und es in den Folgetagen abkühlt. Oder auch umgekehrt, im Kühlfall kann das Gebäude mit der Kombination einer Bauteilaktivierung und Wärmepumpen erneuerbare Energie effizient nutzen. Energieflexibilität ist demnach ein wesentlicher Baustein einer nachhaltigen Gebäudeplanung.

Wie macht man konventionelle Städte zu „Smart Cities“?

Der Begriff „Smart Cities“ beschreibt eine systemische Herangehensweise an eine effiziente und lebenswerte Stadt. Verschiedene Sektoren, wie z.B. Energieversorgung, Gebäude, Mobilität und Industrie, werden intelligent miteinander verbunden, um dadurch Optimierungspotenziale auszuschöpfen. Während die systemtechnische Verknüpfung, die durch die erhöhte Digitalisierung erst ermöglicht wurde, einen relevanten Beitrag leistet, sind es vor allem die Aspekte der Lebensqualität, die mit einer Smart City in Verbindung gebracht werden. Für die strategische Planung der Bestandsstadt bedeutet dies in erster Linie ein Transformationsprozess, der alle Aspekte der Stadtplanung adressiert. Dies inkludiert z.B. Sanierung und Nachverdichtung, die Stadt der kurzen Wege, die Integration von erneuerbaren Energien oder auch die Verbesserung des Mikroklimas, Begrünung und die Entsiegelung von Flächen. Wichtig ist dabei immer die ganzheitliche Perspektive und damit die Berücksichtigung der Wechselwirkung der einzelnen Maßnahmen sowie die Einbindung von Bürger*innen und Expert*innen, um lokal angepasste Lösungen zu entwickeln.

Mehr als 40 % der klimarelevanten Emissionen werden der Errichtung und dem Betrieb der Gebäude zugeschrieben. Jede Verbesserung im Gebäudesektor, jedes Prozent an Energieeffizienz trägt zur Erreichung der Klimaziele bei. Die Optimierung des Gebäudebestands spielt dabei die mit Abstand wichtigste Rolle da diese den größten Anteil am Ressourcenbedarf ausmacht. Im Neubau entwickelte und erprobte Technologien können dabei auch für den Bestand adaptiert werden. So wird z. B. die Bauteilaktivierung, die im letzten Jahrzehnt im Neubau immer mehr zur Anwendung kommt, auch vermehrt in der Sanierung eingesetzt, wo über außenliegende Wandsysteme die Gebäudetechnik auf erneuerbare Energien umgestellt werden kann, ohne die Bewohner*innen während der Bauarbeiten zu beeinträchtigen. Demonstrationsprojekte spielen in der Implementierung von innovativen Technologien eine besonders relevante Rolle, da hier vorab entwickelte und im Labor getestete Systeme in einer echten, physischen Umgebung integriert und optimiert werden können.

Wie muss das Gebäude der Zukunft aussehen, in dem Sie arbeiten möchten?

Das Gebäude der Zukunft steht schon. Wir müssen unseren Fokus auf den Gebäudebestand richten, damit wir die Energiewende im Bausektor auch nur annähern schaffen. In der Bausubstanz sind schon Unmengen an Ressourcen gebunden, ein Neubau benötigt zumeist über den gesamten Lebenszyklus betrachtet mehr Energie, mehr Materialien und mehr Fläche. Demnach möchte ich in einem hoch-effizient sanierten Altbestand arbeiten, der die Ansprüche an eine moderne Arbeitsumgebung erfüllt. Niedriger Energiebedarf, die Integration von erneuerbaren Energien, intelligente Steuerung der technischen Systeme, Zugang zu Freiflächen und Begrünung und vor Allem auch eine gute Architektur, die alt und neu ästhetisch anspruchsvoll miteinander verbinden sind die wesentlichen Aspekte, die ein zukunftsfittes Gebäude ausmachen.

 

 

 

 

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Von smarten zu autonomen Gebäuden – Gastkommentar Forbes

Laut der US-Klimabehörde NOAA stehen die weltweiten CO2-Emissionen auf einem noch nie dagewesenen Höchststand – um genau zu sein haben wir den historischen Höchststand seit 1 Mio. Jahre erreicht – mit dramatischen Folgen für unser Klima. Viele der entstehenden Risiken ballen sich dabei vor allem in urbanen Räumen. Städte stehen aber nicht nur aufgrund der Klimakrise vor immer größeren Herausforderungen, hinzu kommen die steigenden Energiepreise, die damit verbundene drohende Energieknappheit und Risiken der Versorgungssicherheit sowie das zunehmende Bevölkerungswachstum und die zunehmende Erhitzung, welche den Energiebedarf in Ballungsräumen weiter antreiben. Um die Zukunftsfähigkeit von Städten und die Lebensqualität ihrer Bewohner*innen zu sichern, kommt Smart Cities eine tragende Rolle zu. Intelligente Städte und Gebäude können die Energieeffizienz wesentlich verbessern, schließlich geht allein in der Europäischen Union 40 Prozent des Energieverbrauchs auf Gebäude zurück.

Damit eine Stadt auch wirklich zu einer Smart City wird, benötigt es Vernetzung. Ein Komplex allein ist nicht ausreichend, um den Verbrauch in Städten intelligent zu steuern. Das verbindende Element ist der eigenständige Austausch der Gebäude untereinander, sodass der Mensch so wenig wie möglich in Systeme eingreifen muss, aber schnellstmöglich zu richtigen Entscheidungen kommt. Genau dazu forscht die Aspern Smart City Research GmbH seit 2013 gemeinsam mit Siemens, der Wien Energie, den Wiener Netzen, der Wirtschaftsagentur und Wien 3420. Ausgestattet mit modernster Technik stehen Gebäude unterschiedlicher Infrastruktur miteinander im Austausch, sammeln Daten und sollen nun auch künftig möglichst autonome Entscheidungen zugunsten klimafreundlicher Energienutzung treffen.

Die ASCR hat ihre beforschten Gebäude in aspern Seestadt schon in der ersten Forschungsphase digitalisiert und mit Sensoren versehen, sodass die sogenannten Testbeds – ein Wohngebäude, Studierendenwohnheim, ein Bildungscampus, ein Technologiezentrum und ein Bürogebäude mit Sportanlagen und Garagenplätzen – im Livebetrieb Daten zu Energieverbrauch, Netzbelastung und Nutzungsgewohnheiten der Bewohner*innen Vorhersagen und Entscheidungen bei Störungen treffen können. In der aktuellen Forschungsphase wurden Photovoltaik-Anlagen, Solarthermie, Hybridanlagen und Wärmepumpen, aber auch E-Ladestationen mit selbstlernenden Systemen versehen, die im Livebetrieb aus mehr als 1,5 Mio. Datenpunkten schöpfen und diese bewerten können. So reagieren die Netze eigenständig auf Veränderungen oder Störungen – je unter Berücksichtigung von Informationen der Nutzungsgewohnheiten, der Sensordaten und der Wetterprognose berechnen die „sprechenden“ Gebäude den Energiebedarf und die eigene Produktion. Der ASCR ist es damit gelungen, den Energieverbrauch von Gebäuden nicht nur intelligent zu nutzen, sondern auch zu produzieren und bei Bedarf in das Netz einzuspeichern. Bei systemrelevanter Infrastruktur wie Krankenhäusern kann somit im Gebäudebetrieb Störungen vorhergesagt und – noch viel wichtiger – Ausfälle verhindert werden.

Verbindung der physikalischen und digitalen Welt

Um den Energieverbrauch, die Netzbelastung unter Berücksichtigung der Nutzungsgewohnheiten von Bewohner*innen besser zu verstehen, reicht es allerdings nicht aus, Gebäude oder Städte zu digitalisieren. Vielmehr sind die Konnektivität und später die Automatisierung der wesentliche Schlüssel für mehr Energieeffizienz.

Für Netzbetreiber ist es wichtig zu erfahren, zu welchen Zeiten Energiespitzen das Netz belasten oder wann Energie gespeichert werden kann. Netze müssen reagieren, Störungen erkennen, selbst beheben – und später eigenständig Entscheidungen treffen und daraus lernen können. Dafür untersucht die ASCR nun gemeinsam mit der Siemens, Wien Energie und den Wiener Netze, wie Netze, Gebäude, aber auch die Informations- und Kommunikationstechnologie zu autonomen Zusammenschlüssen werden. Die Systeme bringen dabei die Interessen aller zusammen, etwa von Netzbetreiber, Wärmeanbieter und Bewohner*innen.

Autonome Gebäude sind im Kommen

Während smart Buildings bereits selbst Entscheidungen hinsichtlich Energieverbrauch und -verteilung treffen, streben autonome Gebäude, um die Umweltbelastung zu optimieren und den Energieverbrauch zu senken, einen wesentlich höheren Automatisierungsgrad als intelligente Gebäude an. Intelligente Gebäude regeln betriebliche Aspekte des Gebäudes, wie beispielsweise die Regelung von Heizung, Kühlung und Energieverbrauch. Autonome Gebäude gehen einen Schritt weiter und zielen darauf ab die Kosten für Instandhaltung eines Gebäudes zu senken oder verbessern mit Hilfe der Vernetzung der gesammelten Daten die Umweltauswirkungen und CO2-Ausstoß eines Gebäudes. Autonome Gebäude agieren dabei nicht als isolierte Einheit, sondern sind Teil einer Interaktion zwischen Gebäuden und intelligenten Systemen für Wasserversorgung, Wärme- und Kälteregelung aber auch für die Netzinfrastruktur.

Immer mehr Städte werden zu smarten Gefügen – der nächste Schritt aus Sicht der ASCR wäre demnach diese zu automatisieren und ein vernetztes System zu schaffen. Nur wenn ein Datenaustausch möglich gemacht wird und die gesammelten Infos in Entscheidungen miteinfließen können, können Städte den großen Herausforderungen der Zukunft gerecht werden: der Klimakrise, der Überhitzung von Städten und dem erhöhten Energiebedarf.

 

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3 Fragen an…

Jasmine Ramsebner widmet sich als Produktmanagerin bei der KEBA Group im Bereich e-Mobility der Weiterentwicklung intelligenter Ladelösungen. Als Botschafterin bei der Austrian Automotive Transformation Plattform (AATP), die über alle Sektoren hinweg das Ausschöpfen des nationalen Wertschöpfungspotenzials in der E-Mobilität unterstützt, bringt sie die Perspektive Ladeinfrastruktur ein und repräsentiert die Plattform nach außen. Die Expertin für E-Mobilität, Energiewirtschaft und Supply Chain Management war Generalsekretärin des Bundesverband für Elektromobilität Österreich (BEÖ) und leitete mehrere Forschungsprojekte an der TU Wien. ASCR Geschäftsführer Robert Grüneis hat bei der Expertin nachgefragt, was es für den Boom der E-Autos benötigen wird.

Welchen Beitrag kann die E-Mobilität zu einer erfolgreichen Energiewende beitragen und welche Infrastruktur benötigt es dafür?

Als neue Antriebstechnologie ist die E-Mobilität aktuell dabei, sich in allen Belangen am Markt zu etablieren. Die vorteilhaften Bedingungen für Flotten sind eine optimale Startposition, um e-Mobilität unter die Leute zu bringen, den Markt anzukurbeln und neben der Treibhausgasreduktion auch die Preise in der Erstanschaffung von Fahrzeugen und Infrastruktur für Privatkund*innen zu senken. Ein wichtiger Aspekt, um die Akzeptanz für den Umstieg auf ein E-Fahrzeug zu erhöhen, ist die Verfügbarkeit, Leistbarkeit und Userfreundlichkeit von Ladeinfrastruktur. Zudem hängt die erfolgreiche Mobilitätswende im Individualverkehr am Anteil erneuerbaren Stroms im Energiesystem ab und entsprechenden Technologien zur Laststeuerung, um diese optimal zu nutzen und den Leistungsbedarf gering zu halten. Mittels intelligenter Ladeinfrastruktur, digitalen Schnittstellen zum Netz und den Usern und der Integration von beispielsweise lokaler PV- Erzeugung kann E-Mobilität nicht nur userfreundlich sein, sondern sogar einen Beitrag zum nachhaltigen Management des Energiesystems leisten.

Welche Rolle kommt Städten hierbei zu?

Städte bieten als Ballungsraum primär eine optimale Grundlage und Infrastruktur um die Zahl an Fahrzeugen in Privatbesitz zu minimieren und durch attraktive Fuß und Radwege, e-Car-Sharing Angebote und öffentliche Verkehrsmittel den Gesamtenergiebedarf zu minimieren.

Andererseits können im urbanen Raum Individualfahrzeuge zu Hause oder am Arbeitsplatz optimal im Pulk und über lange Parkzeiten geladen werden, um so die Netzbelastung zu minimieren, gesellschaftliche Mehrkosten zu vermeiden und die Nutzung erneuerbarer Energie im gesamten Stadtkontext zu steuern. Smart City Projekte, wie etwa die aspern Seestadt, zeigen auf wie Synergien zwischen verschiedenen Akteur*innen im erneuerbaren Energiesystem, so auch die E-Mobilität, optimiert werden können. Die Forschung der ASCR ist für den Ausbau insofern relevant, da in der aspern Seestadt eine intelligente Ladeinfrastruktur entwickelt wird. Unter Berücksichtigung von Fahrzeugtyp und Ladestatus, aktuellen Netzparametern sowie der Wetterprognose für die Energieproduktion der lokalen PV-Anlage wird nicht nur eine optimale Ladestrategie berechnet, sondern auch der gesamte Lebenszyklus der User abgebildet. So weiß das Forschungsteam, wann und zu welchem Zeitpunkt geladen wird – dieser Zyklus ist unerlässlich für einen intelligenten Ausbau.

Wie wird sich (E-)Mobilität in den nächsten Jahren entwickeln und sind wir dem E-Auto Boom gewachsen? (in Richtung Infrastruktur?)

Mit dem Hochlauf der E-Mobilität wachsen auch die Anforderungen an Ladeinfrastruktur und ihre Funktionalitäten. Etwa 85% der Ladevorgänge werden zu Hause oder am Arbeitsplatz durgeführt – hierauf wird in den nächsten Jahren jedenfalls ein Fokus in der Weiterentwicklung liegen, um die Flexibilität für Lastverschiebungen bei langen Parkzeiten optimal zu Nutzen.[1] So kann mit der verfügbaren Anschlussleistung das Ladeangebot maximiert werden.

Mit einer steigenden Anzahl von Akteur*innen als erneuerbare Stromabnehmer*innen und Erzeuger*innen, darunter auch E-Fahrzeuge, steigt die Relevanz von digitalen Schnittstellen zum Stromnetz für entsprechende Transparenz und Steuerbarkeit. Ein spannender nächster Schritt für intelligentes Lademanagement wird mittels ISO 15118 an der Schnittstelle zum Fahrzeug ermöglicht, unter anderem durch Informationen über den Ladestand der Fahrzeugbatterie und den Voraussetzungen für vehicle-to-grid Applikationen.

 

[1] Quellen:

e-Mobility Check Leitfaden_final_200616 (1).pdf

Faktencheck E-Mobilität – Antworten auf die wichtigsten Fragen zur E-Mobilität (klimafonds.gv.at)

VCÖ-Factsheet: Nachrüsten von E-Ladestationen im Wohnrecht erleichtern – Mobilität mit Zukunft (vcoe.at)

My home is my Ladestation • BEÖ •• Bundesverband Elektromobilität Österreich (beoe.at)

 

 

3 Fragen an…

Dr. Claus Binz hat das Institut für Sportstättenberatung (IFS) in Deutschland gegründet und war maßgeblich an der Entwicklung des ganzheitlichen Arbeitsansatzes des IFS beteiligt. Das IFS ist ein international tätiges Unternehmen in den Bereichen Sportentwicklung und Projektmanagement für Planung, Bau und Betrieb von Sport- und Veranstaltungsstätten. Der studierte Jurist und Sportwissenschaftler hat mehr als 40 Stadien und 20 Arenen weltweit mitentwickelt und ist Experte, wenn es um ganzheitliche Nutzungs- und Energiekonzepte für Sport- und Veranstaltungsstätten geht.
ASCR Geschäftsführer Robert Grüneis hat Claus Binz „3 Fragen“ zu Energieeffizienz von Sportstadien in Österreich gestellt.

Wie energieeffizient sind Österreichs Sportstadien und welche Innovationspotentiale gibt es?

Die Energieeffizienz von Sportstadien in Österreich, aber auch europaweit, ist ausbaufähig. In den letzten Jahren wurden in Österreich nur wenige Stadien völlig neu gebaut, meist wurden bereits vorhandene renoviert oder weiterentwickelt. Der für Stadien typische Energiebedarf, mit hohen Verbrauchsspitzen während der Spiele und sehr niedrigem Verbrauch dazwischen, erschwert die Umsetzung innovativer Energiekonzepte. Heute werden in Stadien zunehmend innovative Lösungen umgesetzt. Dabei kommen zum Beispiel PV-Anlagen, Batteriespeicher, Wärmepumpen, Bauteilaktivierung, alternative Rasenheizung und wasserlose Urinale zum Einsatz. Eine möglichst umfangreiche Drittnutzung (multifunktionale Nutzung außerhalb des Spielbetriebs) und die Integration von Dauernutzungen wie Büros, Gastronomie, Museum, Fanshop und Kindergarten erleichtern die Realisierung nachhaltiger Energiekonzepte.

Was zeichnet das geplante Trainingszentrum in der aspern Seestadt aus?

Das Energiekonzept für das neue ÖFB Trainingszentrum in der aspern Seestadt, das IFS gemeinsam mit der ASCR entwickelt hat, ist für Europa einzigartig. Ein Trainingszentrum muss beispielsweise sicherstellen, dass die Trainingsplätze für eine wetterunabhängige Nutzung mit einer Rasenheizung ausgestattet sind. Um dies zu garantieren, wurde bisher in den meisten Sportstadien ca. 30 cm unter dem Rasen Leitungen installiert und mit Strom, Gas- oder Fernwärmebetrieben – dies hat einen enormen Energieverbrauch und -kosten zur Folge.
In Aspern kommt ein neues Rasenheizungssystem zum Einsatz, bei dem die Heizschlangen nur ca. 18 cm tief verlegt werden. Dadurch können die Spielfelder mit dem ganzjährig 15 Grad warmen Grundwasser im Winter frostfrei gehalten werden und im Sommer gekühlt werden, was dem Rasenwachstum sehr zugute kommt. So kann für die Rasenheizung die vorhandene Wärme aus erneuerbaren Energiequellen genutzt werden, gleichzeitig wird keine Abwärme in die umgebende Luft abgegeben. Hinzu kommen PV-Anlagen auf allen Dächern des Trainingszentrums– die aus den PV-Anlagen gewonnene Sonnenenergie dient der Optimierung des Eigenbedarfs, Überschüsse werden in Batterieanlagen gespeichert. Zudem kommen Wärmepumpen für das Heizen und Kühlen der Gebäude zum Einsatz. Dieses komplexe Energiekonzept ermöglicht, Energie effizient zu verbrauchen und insgesamt mehr erneuerbare Energieträger zu nutzen. Damit werden auch Sportstadien zum Teil der sauberen Energiezukunft.

Wie sehen die Sportstätten der Zukunft aus?

Sportstätten werden in Zukunft ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten müssen. Beim Neubau und Umbau sind innovative Energiekonzepte zu erarbeiten und umzusetzen, wie der ÖFB es bei seinem geplanten Trainingszentrum in Aspern in vorbildlicher Weise in Zusammenarbeit mit der ASCR praktiziert. Immer mehr Verbände und Ligen fordern dies von ihren Vereinen ein. So fordern einige Ligen im Rahmen der Lizenzierung entsprechende Nachweise von ihren Vereinen.